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Weibliche Genitalverstümmelung

Weibliche Genitalverstümmelung (engl. Female Genital Mutilation, kurz FGM) bezeichnet nach einer Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO

die partielle oder vollständige Entfernung der weiblichen Genitalien oder die Beschädigung der Geschlechtsorgane ohne profunden, medizinischen Hintergrund

(vgl. WHO, bit.ly/NbKzmv).

Die Durchführung der Verstümmelung erfolgt in vielen Ländern aus traditionellen oder kulturellen Motiven und ist vor allem in islamisch geprägten Gebieten Afrikas weit verbreitet, die diese Praktiken oftmals – fälschlicherweise – mit der heiligen Schrift des Koran begründen bzw. rechtfertigen.

 

Die Sache

In Afrika nennen sie es "Die Sache" und FGM ist bereits seit ca. 5000 Jahren ein festes Ritual, welches an Mädchen und Frauen vom Säuglings- bis ins Erwachsenenalter vorgenommen wird. Hauptsächlich jedoch vor Beginn der Pubertät, um die Mädchen vor ihrer eigenen Sexualität zu "schützen" und als "rein" zu bewahren, damit der zukünftige Ehemann die Frau als jungfräulich anerkennt.

Ohne den Akt der Verstümmelung droht sonst die Gefahr, dass das Mädchen bzw. die Frau von der Gemeinschaft verstoßen wird. FGM wird daher auch als Symbol der ethnischen Zugehörigkeit und Weiblichkeit verstanden.


Durchgeführt wird die Verstümmelung von sog. "Beschneiderinnen". Dies sind meist Frauen im hohen Alter, die den Prozess seit vielen Jahren ausüben. FGM wird von den Volksstämmen als eine Art "Beruf" anerkannt und gut bezahlt. Als "Werkzeug" dienen Messer und Rasierklingen, um die Beschneidung durchzuführen sowie Akaziendornen und Schlingen, um die Wunde zu "vernähen" und die Beine nach der Verstümmelung zusammen zu halten, damit sich die Wunde durch weitere Bewegungen nicht wieder öffnet und das Mädchen verblutet. Zudem wird bei den schlimmeren Verstümmelungstypen noch ein Strohhalm verwendet, um dem Opfer eine kleine Öffnung – etwa in der Größe eines Reiskorns – für Urin und Menstruation übrig zu lassen (siehe Typ 3).

 

Die WHO differenziert grundsätzlich vier Typen der Weiblichen Genitalverstümmelung:

  • Typ 1:

Hierbei wird entweder die Klitoris (erektiles Sexualorgan der Frau) teilweise oder vollständig entfernt oder die Klitorisvorhaut weggeschnitten. Dieser Vorgang wird auch als Klitoridektomie bezeichnet.

  • Typ 2:

In diesem Stadium wird eine Klitoridektomie vorgenommen und die kleinen Labien (Schamlippen) werden teilweise oder ganz entfernt. Diese Form der Verstümmelung macht etwa 85 Prozent aller FGM-Praktiken aus.

  • Typ 3: 

Der dritte Typus wird als „Infibulation“ oder „pharaonische Beschneidung“ bezeichnet und beinhaltet die Entfernung von Klitoris sowie den kleinen und großen Labien. Die Restvulva wird anschließend mit Akaziendornen verschlossen. Das Einführen eines Fremdkörpers, bspw. eines Strohhalmes, verhindert das Zusammenwachsen der Wunde, sodass eine kleine Öffnung zum urinieren und menstruieren übrig bleibt. 

  • Typ 4:

In diesem Stadium wird die Verstümmlung durch extreme Brutalität in Form von Einstechen, Beschneiden, Dehnen oder Verätzen von Klitoris und Schamlippen vorgenommen.

 

TARGETs Mission ist es, den blutigen Brauch zu beenden

Täglich werden 8000 Mädchen ihrer Genitalien und damit ihrer Würde beraubt. Alle elf Sekunden eins. Weltweit sind 150 Millionen Frauen betroffen. Dieses Verbrechen will TARGET beenden.

Da die Weibliche Genitalverstümmelung unrichtig mit Heiligen Schriften und religiöser Pflicht begründet wird und die meisten Opfer Musliminnen sind, sehen wir in der Kraft des Islam die größte Chance, den blutigen Brauch zu beenden. TARGETs „PRO-Islamische Allianz gegen Weibliche Genitalverstümmelung“ (PIA) hat das Ziel, den Brauch in allen Ländern als unvereinbar mit dem Koran und der Ethik des Islam, als Diskriminierung des Islam, zur Gottesanmaßung und zur Sünde zu erklären.
Hochrangige islamische Autoritäten haben sich dieser Allianz angeschlossen. 

TARGETs Mission ist es, den Azhar-Beschluss in alle Moscheen der Welt zu tragen und abschließend das Verbot Weiblicher Genitalverstümmelung in Mekka verkünden zu lassen.

Die Folgen Weiblicher Genitalverstümmelung

Die Folgen von FGM (engl. Female Genital Mutilation) sind generell abhängig vom Verstümmelungsgrad, den angewandten Methoden und den hygienischen Verhältnissen. Es sind nicht nur physische, sondern auch schwerste seelische Schäden von lebenslanger Dauer. Die Leiden reichen von unvorstellbarem Schmerz beim Eingriff, über Traumata und Schockzustände bis hin zum Tod durch Verbluten. Als wichtigste chronische Folgeschäden sind Unterleibsschmerzen, massive Probleme beim Harnlassen, Komplikationen beim Geschlechtsverkehr, Störungen während der Menstruation, bei der Schwangerschaft und Geburt zu nennen.

Sexuelle Komplikationen

In vielen Fällen leiden die Opfer von FGM auch an sexuellen Komplikationen, indem eine durch Infibulation verstümmelte Frau den Geschlechtsakt mit ihrem Mann nicht auf "normale" Weise praktizieren kann. Ist der Verstümmelungsgrad hoch und die Scheidenöffnung aufgrund der Wundheilung zu klein, kann der Mann oftmals nicht in die Frau eindringen. Dadurch muss die vernarbte Scheide wieder geöffnet werden. Meist wird die Frau noch in der Hochzeitsnacht vom Mann mit einem Messer oder einer Rasierklinge aufgeschnitten. Dadurch besteht auch hier die schwerwiegende Gefahr, dass die Frau an den Folgen verblutet oder schwerste Verletzungen erleidet.  

TARGETs Geburtshilfeklinik

Mit Hilfe der Geburtshilfeklinik von TARGET in der Danakilwüste Äthiopiens können Operationen zur Öffnung der Scheide von erfahrenen Gynäkologen unter hygienischen Bedingungen vorgenommen werden. Auch im Hinblick auf eine bevorstehende Geburt, werden Frauen hinreichend untersucht und medizinisch versorgt, um Komplikationen vorzubeugen bzw. zu vermeiden. Zudem wird so die Sterberate von Babys, die ohne Geburtshilfe bei ca. 50% liegt, deutlich reduziert. TARGET leistet mit der Geburtshilfeklinik Danakil wertvolle Arbeit, um den Opfern von FGM zu helfen und wichtige Aufklärungsarbeit durchzuführen.

Betroffene Länder

Weibliche Genitalverstümmelung wird hauptsächlich auf dem afrikanischen Kontinent praktiziert. Die Länder mit der stärksten Verbreitung liegen überwiegend auf der Nordhälfte des Kontinents in einem Gürtel, der sich von Senegal im Westen bis Somalia im Osten erstreckt. In einigen Ländern sind bis zu 99% der Frauen betroffen. Aber auch in südlicheren Regionen Afrikas kommt sie vor – allerdings existieren für die betroffenen Länder keine Statistiken und Studien.

 

Im Nahen Osten kommt Weibliche Genitalverstümmelung in Jemen, Nordirak, Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar vor. Auch Bahrain, Jordanien und die Palästinensischen Autonomiegebiete im Gaza-Streifen werden erwähnt. In Asien sind Indien, Indonesien und Malaysia betroffen, eventuell auch Sri Lanka. Durch Migration ist Weibliche Genitalverstümmelung allerdings inzwischen zu einem weltweiten Problem geworden, das auch Europa, Amerika, Australien und Neuseeland berührt. Zahlen, Statistiken und Studien können Anhaltswerte zur Verbreitung von Genitalverstümmelung liefern. Da sich Datenerhebungen vor Ort in der Regel schwierig gestalten, weichen veröffentlichte Zahlen immer wieder voneinander ab.

 

Betroffene Länder

 

BGH verhindert Verstümmelung eines Mädchens

Eine Fünfjährige sollte von ihrer in Deutschland lebenden gambischen Mutter nach Gambia zur Großmutter gebracht werden. Dem Mädchen drohte die Genitalverstümmelung. TARGET alarmierte das Jugendamt, die Staatsanwaltschaft und die Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Mit Erfolg.

 

Der Mutter wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und dem Jugendamt übertragen. Die Mutter prozessierte. 

Der Fall landete schließlich beim Bundesgerichtshof (BGH). Dieser fällte am 15.12.2004 ein beispielhaftes Urteil.

 

Das BGH-Urteil finden Sie HIER

Gegen die Tradition und doch erfolgreich – für die Mädchen Afrikas! 



TARGETs Strategie, mit dem Islam als Partner Weibliche Genitalverstümmelung zu beenden, erreichte Entscheidendes:

 

Die Fatwas

  • 2004 schrieb der Vositzende des Zentralrats der Muslime Mauretaniens auf Anfrage, Besuch und zweitägiger, mit TARGET veranstalten Konferenz in Nouakchott eine Fatwa handschriftlich auf ein Holz: „Die Verstümmelung der Frau und die verursachten gesundheitlichen Risiken sind nicht erlaubt.“

  • Der Durchbruch für ein Ende von FGM im November 2006: In der Al Azhar zu Kairo (geistiges Zentrum des sunnitischen Islam, durfte TARGET unter der Schirmherrschaft des Großmuftis Ägyptens die Internationale Konferenz Islamischer Gelehrter gegen Weibliche Genitalverstümmelung einberufen. In der daraus resultierenden Fatwa schrieben die internationalen höchsten Gelehrten: „Weibliche Genitalverstümmelung ist ein strafbares Verbrechen. Es verstößt gegen höchste Werte des Islam.“

  • Am 2. März 2009 schrieb der hoch geachtete Gelehrte Sheikh Prof. Dr. Yusuf Al-Qaradawi, Vorsitzender der Internationalen Vereinigung Islamischer Gelehrter, auf TARGETs Anfrage und Besuch eine Fatwa. Darin ächtet er FGM als „Werk des Teufels“.

  • 2011 schrieb Prof. Dr. Muhammad Said Ramadan Al-Buti, höchster Gelehrter der schafiitischen Rechtschule, auf TARGETs Anfrage und Besuch in Damaskus eine Fatwa aus Sicht seiner Rechtsschule, in der FGM aufgrund des durch diesen Brauch verursachten „gefährlichen Schadens und der Verletzung des natürlichen Rechtes auf ein sexuell befriedigendes und ausgefülltes Ehelebens in immenser Weise“ verbietet.

 

Das Goldene Buch

Die Zusammenfassung der Konferenz von Kairo und die wichtigsten Fatwas wurden von TARGET im sogenannten Goldenen Buch zusammengefasst. Es wurde kostbar gestaltet und wird als Predigtgrundlage zum Thema FGM von TARGETs Imam-Teams in Aufklärungskampagnen vor allem an Imame in betroffenen Ländern verteilt, bisher in Äthiopien, Dschibuti, Mauretanien und Guinea-Bissau.

 

Einsatz auf Länderebene

  • Die Afar (Äthiopien, 1,6 Millionen Menschen) erklärten Genitalverstümmelung schon im Jahr 2002 auf TARGETs 1. Wüstenkonferenz ab sofort bei ihrem Volk als verboten.

  • 2004 folgten die 2. Wüstenkonferenz in Mauretanien und die 3. Wüstenkonferenz in Dschibuti mit den jeweils höchsten Führern und Gelehrten der Ethnien mit Verboten von FGM aufgrund des Schadens, der den Mädchen und Frauen damit zugefügt wird.

  • 2004 verbreitete TARGET auf Wunsch des Muftis von Mauretanien Hamden Ould Tah mit einer traditionellen Kamelkarawane, der Karawane der Hoffnung, die Fatwa des Großmuftis in verschiedene Wüstenorte. Als Abschluss wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt vor dem siebtgrößten Heiligtum des Islam, der Pilgermoschee in Chinguetti, ein Transparent gespannt, darauf die Fatwa.

  • Am 6. Juli 2007 schrieben der Oberste Rat für Islamische Angelegenheiten der Afar und oberste Clanführer der Afar per Stammesgesetz die Strafe für Genitalverstümmelungen fest: „Anzeigepflicht gegen die Eltern und Blutgeld gegen die Beschneiderin“. Gemeinsam mit TARGET wurde am Ortseingang von Samara, der neuen Hauptstadt der Provinz Afar, vor der Moschee ein großes Metall-Schild mit Fotos prominenter Afar-Persönlichkeiten aufstellen. Sie bekennen sich zu der Botschaft, die in vier Sprachen auf dem Schild prangt: „Weibliche Genitalverstümmelung ist eine sündige Handlung“!


 

Weitere Meilensteine im Einsatz für ein Ende von FGM

  • 2001 initiierte TARGET eine Pro-Islamische-Allianz, um hohe Gelehrte und Stammesführer für ein Ende von FGM zu vereinen.

  • Der Bundesgerichtshof hat auf TARGETs Intervention 2004 ein maßgebliches Urteil gefällt, um in Deutschland lebende Migrantentöchter vor Verstümmelung im Ursprungsland der Familie (Gambia) zu schützen. 

  • 2009 zeigte aufgrund einer Predigt des Imams mit dem Goldenen Buch in Afar beispielhaft Wirkung: Eine ehemaligen Verstümmlerin gründete nach dieser Predigt eine Initiative zum Schutz der Mädchen mit vier weiteren Ehemaligen. Die Frauen sind auch Hebammen, haben somit Zugang zu den Müttern und Neugeborenen und innerhalb von nur drei Monaten bewahrten sie 60 Mädchen vor FGM. 

  • 2010-2015 erbaut: TARGETs Gynäkologie- und Geburtshilfeklinik Danakil, leistet in Äthiopien Hilfe für die von genitaler Verstümmelung schwer betroffenen Frauen und Mädchen. Die Klinik ist eine Oase in der Wüste. Zum Einsatz rund um die Uhr ist präventive Aufklärung zu FGM fester Bestandteil der von TARGET mit Spenden finanzierten und unterhaltenen Klinik.

 

TARGET im Fokus der Öffentlichkeit:

Für ihren Einsatz für ein Ende von FGM wurden die Gründerfamilie Annette und Rüdiger Nehberg mit vielen Ehrungen ausgezeichnet.
Die Afar erklärten Annette und Rüdiger Nehberg zu ihren ersten Ehrenbürgern und überreichten den Afar-Award.
TV-Dokumentationen zu TARGETs Einsatz erhielten hohe Auszeichnungen.