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TARGET an der Seite der Saami

 

Diese Nachricht stammt nicht aus dem weit entfernten Amazonasregenwald Brasiliens, sie erreicht uns aus Nordeuropa, aus Schweden. Rentiere, die über schneebedeckte Weiten Lapplands ziehen, ist das Bild, das vor dem inneren Auge entsteht, wenn man an die unberührte, karge und doch so reiche Natur Nordeuropas denkt. Diese Unberührtheit ist jetzt in Gefahr. Denn ein weiter Teil des traditionell genutzten Lebensraums des letzten indigenen Volkes Europas, der Saami, ist bedroht. Eisenerz ist in der Erde ihres angestammten Landes. Im großen Stil soll es nun abgebaut werden. Die schwedische Regierung hat einem englischen Bergbaukonzern bereits eine Konzession zum Abbau erteilt.

 

Die Gemeinschaft zwischen den Flüssen, so die wörtliche Bedeutung, erstreckt sich über große Teile des Sarek- und des Padjelanta-Nationalparks, welche seit 1996 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes Laponia sind. Das Gebiet umfasst die Bergregionen Schwedisch, Norwegisch und Finnisch Lapplands. Es ist Nomadenland, in dem eine sonst kaum noch verbreitete Lebensweise bis heute existiert. Viele Familien folgen der Tradition mit ihren Rentieren, der Fischerei in den eiskalten Bergseen und dem Ernten der besonderen Früchte des hohen Nordens — ein Leben wie seit Jahrhunderten im Einklang mit und von der Natur in den kargen Regionen weit oberhalb des Polarkreises. Die intakte und einzigartige Wildnis ist ihre Lebensgrundlage im Rhythmus der Jahreszeiten.

 

 

„Ende 2022 kamen die Saami auf uns zu und baten darum, sie in ihrem Widerstand gegen die geplante Mine in der Region Gállok (Kallak) zu unterstützen“,

so TARGET-Vorstand Roman Weber. Mit einer Mine ist nicht nur die ursprüngliche Lebensform der Indigenen in Schwedisch Lappland bedroht, sondern es wird auch ein großer Teil des Ökosystems „Borealer Wald“ zerstört, der letzte seiner Art in Europa. Dieser nimmt circa ein Drittel des ausgestoßenen Kohlendioxids auf!

 

Kallak liegt am Rand des Polarkreises an der Grenze des Sarek-Nationalparks. Die industriellen Interessen Schwedens und das traditionelle Leben und die Heimat der Saami-Nomaden stehen sich gegenüber. Denn sollte die Mine gebaut werden, würde das die saisonalen Wanderrouten der Rentiere massiv beeinträchtigen und darüber hinaus irreversible Schäden für die Umwelt verursachen.


Der industrielle Durst nach Rohstoffen und deren Ausbeutung stellt die Indigenen immer wieder vor große Herausforderungen.


Gegen das Bergbauvorhaben sind sie nun vor den Obersten Gerichtshof gezogen. Dessen Entscheidung wird weit über die Region hinaus Signalwirkung für künftige Verfahren und Planungen haben.

 

„Unsere Gemeinschaft hat viele Jahre dafür gekämpft, die Zerstörung unseres Landes zu verhindern. Es hat unsere Gemeinschaft finanziell und durch den damit verbundenen Druck auch psychisch an die Grenze unserer Belastbarkeit gebracht. Wir fühlten uns alleingelassen, standen einem übermächtigen Feind gegenüber. Mit TARGET haben wir einen neuen Partner gefunden. Er unterstützt finanziell und berät uns dabei, neue Wege zu gehen und NGOs einzubinden. Endlich erhalten wir die notwendige Rückendeckung. Wir wehren uns gegen die Zerstörung unseres ererbten Landes und Urwaldes, damit diese für die Weltgemeinschaft und nachfolgende Generationen erhalten bleiben“,

erklärt Jon-Mikko Länta, Erster Vorsitzender von Jåhkågaska Tjiellde.

 

„Wir unterstützen Brasiliens indigene Völker, damit sie in ihrem angestammten Regenwald auf weitgehend traditionelle Weise leben und diesen so schützen können. Die Unterstützung in ihren Rechten ist ein Eckpfeiler unserer Arbeit. Jetzt stehen wir auch den Saami hier in Europa zur Seite“,

erklärt Roman dieses neue TARGET-Projekt. Seit wir uns für sie einsetzen, werden auch andere Organisationen verstärkt auf das Problem aufmerksam, der Widerstand wächst.

TARGET Vorstand Roman Weber mit dem 1. Vorstand Jon-Mikko Länta und dem 2. Vorstand Mattias Pirak der Sami Gemeinschaft Jåhkågaska tjiellde bei der traditionellen Markierung der Rentiere im Sarek Nationalpark, Schweden

TARGET Vorstand Roman Weber mit dem 1. Vorstand Jon-Mikko Länta und dem 2. Vorstand Mattias Pirak der Sami Gemeinschaft Jåhkågaska tjiellde bei der traditionellen Markierung der Rentiere im Sarek Nationalpark, Schweden

 

 

Das indigene Volk der Saami - die Wächter des Nordens

 

Tief im Norden, wo sich die kühle Luft der Arktis über der borealen Zone mit den letzten intakten Urwäldern Europas über weite Ebenen ausbreitet, ist das Volk der Saami beheimatet. Die Saami sind das letzte indigene Volk Europas, die Urbevölkerung Skandinaviens und des russischen Nordens. Sie bewohnen eine Region, welche auch als „Sápmi“ bekannt ist. Diese erstreckt sich über vier Länder: Norwegen, Schweden, Finnland und Russland.

Karte vom Sami-Gebiet der Gemeinde Jåhkågaska tjiellde in Schweden

Das Gebiet der Jåhkågaska tjiellde - „die Saami Gemeinschaft zwischen den zwei Flüssen"

 

Die Saami in Schweden 

Die Saami in Schweden haben eine reiche und vielfältige Geschichte, tief verwurzelt in den Bergregionen und tiefen Wäldern des Nordens. Ihre Kultur, Traditionen und Sprachen haben die Mühlen der Zeit überstanden, trotz jahrhundertelanger Marginalisierung und Assimilationsversuche. Mit einer starken Verbindung zur Natur, besonders zur Rentierzucht, sind sie die letzten Nomaden Europas.

Die Rentierzucht ist nicht nur ein Symbol für ihre Identität, sondern auch ein überlebenswichtiger Wirtschaftszweig. Viele Sami-Familien ziehen noch immer mit ihren Rentierherden in der Folge der 8 Jahreszeiten und den damit verbundenen Zugrouten der Tiere. Der Lebensstil ermöglicht es ihnen, in enger Verbindung mit der Natur zu leben, eine enge Bindung, die durch jahrhundertelange Traditionen und überlebenswichtige Fähigkeiten oberhalb des Polarkreises geprägt ist.

Kultur

Ihre Kultur zeichnet sich durch einzigartige Traditionen und Rituale aus, die sich in ihrer Musik, ihrer Kunst traditionellem Handwerk widerspiegeln. Der "joik", ein besonderer Gesangsstil, der häufig in der Sami-Musik zu hören ist, erzählt Geschichten von Personen, Tieren, Orten und Erfahrungen. Ihre Kunst, insbesondere das „Duodji“ (traditionelles Handwerk), spiegelt die natürlichen Materialien und Formen der Natur am Polarkreis wider und verbindet praktische Funktionalität mit Kunst.

Die Saami-Sprachen sind einzigartig und gehören zur uralischen Sprachfamilie. Obwohl die Saami in der Vergangenheit oft unterdrückt wurden, erleben sie heute dank Bildungsinitiativen und kultureller Erneuerung eine Renaissance. Trotz ihrer starken Kultur stehen die Sami jedoch vor zahlreichen Herausforderungen. Von Landrechten über Klimawandel bis hin zu kultureller Assimilation; sie kämpfen kontinuierlich für den Erhalt ihrer Identität und Lebensweise.

Das Wissen und die Anerkennung der Saami in Schweden ist von großer Bedeutung. Es geht darum, die Geschichte, Traditionen und das Kulturgut sowie die Rechte eines indigenen Volkes zu achten, welches trotz aller Widrigkeiten seinen einzigartigen Lebensraum am Polarkreis bewahrt hat.

 

Acht Jahreszeiten 

Für die Saami sind die Jahreszeiten mehr als nur ein Wechsel von Wetter und Temperatur. Sie sind ein lebendiger Ausdruck ihrer tiefen Verbundenheit mit der Natur und eine Quelle grenzenloser Weisheit. In ihrer Kultur spielen die acht Jahreszeiten eine zentrale Rolle, jede mit ihrer eigenen Schönheit und Bedeutung. Lass dich von diesen Jahreszeiten verzaubern und begleite uns auf einer Reise, die Dein Verständnis für diese kostbare Natur und die einzigartige Lebensweise der Saami vertiefen wird.

Winter - Dálve – Jahreszeit der Pflege

Inmitten der eisigen Kälte liegt eine Welt verborgen, von unbeschreiblicher Schönheit und Zerbrechlichkeit. Unter einer schützenden Decke aus schimmerndem Schnee ruht das Erdreich, während Millionen glitzernder Kristalle seine Oberfläche bedecken. Die Rentiere trotzen tapfer den harten Bedingungen des Winters und bewegen sich behutsam, um ihre Energie zu schonen. Jeder Schritt durch den tiefen Schnee erzählt von ihrer Anpassungsfähigkeit und ihrem unerschütterlichen Überlebenswillen bei Temperaturen bis zu -40 Grad. Mit ihren Hufen graben sie sich durch die meterdicken Schneemassen, um die nahrhaften Flechten, welche auf dem Erdreich wachsen, freizulegen. Die Sonne kämpft sich langsam zurück in den nördlichen Himmel und schenkt hoffnungsvolles Licht. Im Tanz der Nordlichter (Aurora Borealis) erstrahlen die Schneekristalle in einem magischen Glitzern, das uns tief berührt.

Es ist die Zeit in der wir die Rentiere auf ihrem traditionellen Winter-Weideland in den tiefen Wäldern hüten.

Spätwinter - Giddadálve – Jahreszeit des Erwachens

Die Tage werden allmählich heller und ein Hauch von Veränderung liegt in der Luft. Die Eiszapfen schmelzen langsam, als würden sie Freudentränen vergießen. Ein leises Flüstern des Erwachens durchzieht die Natur und erschafft Vorfreude auf Tage des Lichts. Die weiblichen Rentiere, die behutsam neues Leben in sich tragen, blicken erwartungsvoll gen Nordwesten. Ihre Sehnsucht nach den vertrauten Plätzen in den Bergen, an denen sie Jahr für Jahr ihre Kälber zur Welt bringen, ist groß. Wir spüren die Verbindung zwischen Mutter und Kind, die sich in diesem Kreislauf des Lebens manifestiert und ein Akt der puren Hingabe aufzeigt.

In dieser Zeit versuchen die Familien die Rentiere in den Winter-Weideländern beisammen zu halten, es ist eine harte Arbeit welche dafür sorgt das die Rentiere in großen Gruppen zusammen bleiben und nicht abwandern.

Frühling - Gidda – Jahreszeit der Rückkehr

Im Frühling kehren die Rentierweibchen in ihre Kalbgebiete im Hochgebirge zurück, wo sie ihre Kälber an den gleichen Stellen zur Welt bringen, an denen sie einst selbst geboren wurden. Bevor die Rentiere die Berge erreichen, werden sie auf ihrem Weg von den ortskundigen samischen Rentierhirten geführt, die langsam mit den Herden entlang der Täler, Flüsse und zugefrorenen Seen wandern, wohin die Rentiere seit Jahrtausenden kommen. An diesen heiligen Orten sammeln die Kälber Kraft für den bevorstehenden Lebensweg. Ihre tapsigen Schritte symbolisieren Hoffnung und Erneuerung. Dies ist auch die Zeit, in der die Sami die bunten Seesaiblinge fischen, die unter dicken Eisschichten gewachsen sind, um ihre Familien zu ernähren.

Frühsommer - Giddageassi – Jahreszeit des Wachstums

Die Natur erwacht in vollem Glanz. Der letzte Schnee schmilzt und das Erdreich kleidet sich in sattes Grün und die Vegetation reckt sich gen Himmel. Es ist die Zeit des ewigen Lichts in der wir keine Dunkelheit mehr existiert. Die Luft ist erfüllt von einem süßen Duft, während die Rentiere ihre jungen Kälber behutsam durch die majestätischen Landschaften führen. Hier, inmitten dieser unberührten Natur, erfahren die Kälber Schutz und Geborgenheit. Sie wachsen heran, gestärkt von der Weisheit der Alttiere und der bedingungslosen Hingabe zu ihrer Herde.

Sommer - Geassi – Jahreszeit des Nachdenkens

Der kurze, aber intensive Sommer ist eine Zeit des Nachdenkens. Die Rentiere und die Sami stehen Seite an Seite, eins mit der Natur. Die Kälber müssen markiert werden, und während die Sami ihnen Aufmerksamkeit schenken, nehmen sie wahr, wie kostbar jedes einzelne Leben ist. Die Rentiere nutzen die reiche Fülle der Natur, um ihre Energiereserven aufzubauen, denn bald werden sie ihr prächtiges Herbstfell anlegen. Während sie wachsen und gedeihen, erfüllt ihr Anblick die Menschen mit tiefem Staunen und Dankbarkeit.

Spätsommer - Tjaktjageassi – Jahreszeit der Ernte

Das Licht, die Wärme und der sanfte Regen haben die Natur in ein wahres Füllhorn verwandelt. Saftige Beeren, aromatische Kräuter und schmackhafte Pilze sind die Gaben der Erde. Die Zeit der Ernte beginnt nun und die kostbaren Schätze der Natur werden mit großer Achtsamkeit geerntet. In diesen Momenten des Einklangs mit der Natur spüren die Menschen, wie eng sie mit dieser einzigartigen Landschaft und ihren Lebewesen verbunden sind. Sie verstehen die Bedeutung des respektvollen Umgangs mit der Flora und Faune und den Wunsch, diese für kommende Generationen zu bewahren.

Herbst - Tjakttja – Jahreszeit der Antriebskraft

Der Herbst kündigt den Abschied vom üppigen Sommer an. Ein kühler Hauch liegt in der Luft, während das goldene Gras sich über das Land legt. Die Zeit drängt das Erdreich zur Ruhe und bereitet es auf seinen bevorstehenden Schlaf vor. Mit jedem Schritt, den die Sami durch diese vergängliche Schönheit gehen, erkennen sie den Kreislauf des Lebens an. Die Dunkelheit rückt näher, aber wir sind bereit, ihr mit offenem Herzen zu begegnen. Geschichten und Legenden der Ahnen begleiten sie auf dem Weg durch die dunkle Jahreszeit und erinnern daran, wie kostbar jedes einzelne Leben ist.

Frühwinter - Tjakttjadálvvie – Jahreszeit der Wanderungen

Die Sonne zieht sich zurück und überlässt die Natur der Stille und des Warten. Die Rentiere werden von den Hirten in den Bergen zu einer großen Herde zusammengeführt und zu ihren winterlichen Weideplätzen im Schutz der bewaldeten Täler gebracht. Das Erdreich ruht unter einer schimmernden Schneedecke, während das Nordlicht - das Licht derer, die vor uns gegangen sind - über die Natur wacht. Die Sterne leuchten in klaren Mustern am Firmament und weisen den Sami den Weg in das neue Jahr.

- Jon-Mikko Länta der schwedischen Saami Gemeinschaft Jåhkågaska tjiellde